Pudelwohlblog

Beißen? Strengstes verboten!

Hundetraining, Stunde 4

Ach, war das heute ein schöner Spaziergang. Mal eine ganz neue Location, prima Revier-Erweiterung. Nur, dass Frauchen wieder diesen bärtigen Kerl getroffen hat, war etwas nervig. Über was die beiden reden, habe ich natürlich nicht verstanden, aber dass es dabei um mich ging, habe ich sofort gemerkt. Und kaum zu Hause, da hatte ich den Salat…

 

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Neues Spiel, neues Glück

Nach langer Pause sollte heute endlich wieder das Hundetraining starten. Diesmal treffen wir uns mit dem Trainer an der Alten Fasanerie bei Hanau. Da waren Lucky und ich noch nie, also spannend. Kurz bevor wir dort ankommen, fällt mir ein, dass ich immerhin den Hund samt Halsband und Leine dabeihabe, nicht jedoch Geschirr und Schleppleine. Und das, obwohl heute schon die vierte Stunde ist. Wieso geht das nicht in meinen Kopf? Aber ändern kann ich es jetzt nicht mehr, wir sind praktisch schon da.

Statt mir Gedanken darum zu machen, hoffe ich nun auf ein gutes Training, denn heute bringe ich ja ein echtes Problem mit.

Gelungener Start

Ich biege also auf den Parkplatz ein und ja, da steht er schon, der Hundetrainer. Ich halte an, lass den Hund raus. Lucky will zwar sofort auf den Trainer los, aber es gelingt mir tatsächlich, dieses stürmische Hallo zu unterbinden. „Sehr gut“, heißt es also zur Begrüßung. Die klappt dann sogar mit Handschlag, ohne dass Lucky wieder nach vorne geht. „Das gefällt mir, wie der sich da so zurücknimmt“, sagt der Trainer und ich bin stolz, als hätte eines meiner Kinder die Bundesjugendspiele gewonnen. Lange bleibt das leider nicht so, denn die nächste Frage ist die befürchtete: „Die lange Leine haben Sie dabei?“ Nein. Habe ich leider nicht. „Macht nichts. Ich schau mal, ob ich eine dabeihabe“. Und natürlich findet er eine in seinem Auto, das so beladen ist mit Hundekram, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass es überhaupt irgendetwas gibt, das er nicht dabeihaben sollte.

Es wird ernst

Lucky bekommt die Schleppleine ans Halsband und los geht’s.

Zuerst mal ein bisschen Small Talk mit dem Trainer. Er fragt mich, wie der Hund Silvester erlebt hat. Aber das war für Lucky ja noch nie ein Problem. Er geht sogar mit raus, wenn es knallt. Er erschrickt vielleicht mal, aber richtig Angst oder gar Panik? Nein, nicht bei meinem starken Zwerg. Da ist der sowas von cool, kaum zu glauben. Und wieder steigt dieses „Was-hab-ich-doch-für-tolle-Kinder-Gefühl“ in mir auf. Ich versuche möglichst lange davon zu zehren, ehe ich wage zu berichten, dass die dunkle Seite unseres süßen, kleinen Lucky wieder zugeschlagen hat.

Nachdem wir ein bisschen gelaufen sind, der Hund schön seines Weges trottet, trau ich mich endlich das anzusprechen, was mir auf der Seele liegt (und weshalb ich dieses Training ja auch mal vor einiger Zeit angefangen habe): Lucky hat wieder gebissen. Und nicht nur einmal. Jedes Mal aus einer Situation heraus, in der keiner mit einem Beißen des Hundes gerechnet hätte.

Der Trainer lässt sich eine Situation schildern. „Also, Lucky lag auf der Couch. Zwischen mir und meinem Sohn. Der Hund lag auf dem Rücken, ließ sich von Jonas den Bauch kraulen. Und plötzlich, ohne dass da irgendeine Vorwarnung gekommen wäre, schnellt der Hund nach vorn und beißt ihn in die Hand“. Klar, dass ich noch weiter ausführe, dass das Beißen aber „nicht besonders fest“ gewesen sei. Blut ist keines geflossen. Aber weh getan, das hat es wohl schon. „Okay,“ unterbricht der Trainer meine Ausführungen, „Nicht unbedingt ein Sozialverhalten, was wir wollen. Wenn ihm das zu viel wird mit dem Streicheln, dann soll er sich zurückziehen und gehen, aber doch nicht beißen“.

Stimmt ja. Aber ich wäre nicht Luckys Frauchen, würde ich an dieser Stelle nicht versuchen, Gründe für das Verhalten des Hundes zu suchen. Und natürlich – wie immer – vermute ich, dass der Hund an diesem Tag irgendwelche Schmerzen hatte. Diesmal am Bauch. Denn als ich mir die Stelle später angucken wollte, hat er mir mit zitternden Lefzen gedroht. Und das – so meine ich – würde mein Süßer ohne Not doch nie tun. „Sie suchen nach Entschuldigungen,“ meint der Trainer und ich fühle mich ertappt.

„Stellen Sie sich doch mal vor, er wäre ihr Kind. Sagen wir mal, so 10 Jahre alt.“ Ja, dieser Vorstellung kann ich folgen. Ist zwar schon einige Zeit her, aber die Situation mit 10-jährigen kenne ich. „Und dem täte was weh. Wäre es für Sie okay, wenn er Ihnen eine klatscht, weil Sie ihn anfassen?“

Sagen muss ich darauf gar nichts mehr. Wir beide kennen die Antwort.

Beißen ist verboten – Ohne Wenn und Aber

Aber ich kann nicht so recht aufhören mit dem Suchen nach Entschuldigungen. Wie sonst – außer mit den Schmerzen – wäre zu erklären, dass der Spuk nach diesen Vorfällen genauso plötzlich vorbei ist, wie er begonnen hat. Seit mindestens drei Wochen hat der Hund nicht einmal Anstalten gemacht zu beißen, oder zu drohen.

Auf Nachfrage muss ich jedoch einräumen, dass sich auch unser Verhalten geändert hat. Die Jungs streicheln ihn gar nicht mehr, weil sie nicht voraussehen können, was kommt.

Und auch ich gebe häufiger nach und lasse dem Hund manches durchgehen.

„Dann hat es sich für ihn ja schon bezahlt gemacht“, höre ich den Trainer sagen. Er erklärt mir, dass natürlich auch Hunde einer gewissen Tagesform unterliegen. Sie seien sehr viel sensibler, als wir Menschen, würden Dinge spüren, von denen wir nichts mitbekommen. Dennoch sei Beißen ein absolutes Tabu. „Das hat er nicht zu tun“, sagt er deutlich und streng. Und zwar zu mir.

Er hat ja Recht. Grundsätzlich bin ich seiner Meinung. Ein Hund hat nicht zu beißen. Nur wenn es meiner macht, finde ich alle möglichen Entschuldigungen:

  • Ihm hat was weh getan
  • Er wurde überrumpelt
  • Es war nur aus Angst
  • Jemand hat ihn bedrängt

Und ich relativiere gern:

  • Sooo schlimm war es nicht
  • Er hat nicht gebissen, sondern „geschnappt“
  • Oder „gezwickt“
  • Man sieht doch gar nichts

Die Karten kommen auf den Tisch

Alles falsch. Weiß ich. Deshalb bin ich hier. Ich will nicht relativieren und entschuldigen. Ich will, dass der Hund das nicht mehr macht. Und ich bin bereit, daran zu arbeiten. Auch wenn ich mir denke, dass es sicher nicht einfach sein wird.

Während wir uns unterhalten und weitergehen, bekomme ich gelegentlich eine Aufgabe. Den Hund abrufen, den Hund sitzen lassen, oder die Seite wechseln. Mal „Bei Fuß“, mal „Voran“. Klappt alles ziemlich gut. Zum Glück gibt es diese Momente.

Wo aber nun schon mal der Damm gebrochen ist, fällt mir noch alles Mögliche ein, was ich loswerden möchte.

Unter anderem, dass ich den Hund seit einiger Zeit gar nicht mehr kämmen kann. Früher ging es noch so einigermaßen, aber in den letzten zwei Jahren ist es immer schlechter geworden. Da Lucky sein Fell meist kurz trägt, ist das ja meist gar kein so dringendes Problem. Jetzt allerdings, im Winter, würde ich ihn gern mal bürsten und in diesem Jahr geht es erstmals überhaupt nicht.

Und wenn ich ehrlich bin: Eine Zecke könnte ich dem Hund auch nicht entfernen.

„Das hat er ihnen also schon beigebracht,“ kommentiert der Trainer, „dass sie ihn nur so anzufassen haben, wie er das möchte“.

Dann mach ich doch gleich mal weiter und schildere das nächste Problem: Lucky möchte nicht, dass einer der Jungs auf dem Sofa näher bei mir sitzt, als er. Er drängt sich massiv dazwischen und nur ich kann ihn überhaupt vom Sofa schicken. Die Jungs brauchen da ein Hilfsmittel. Eine Decke oder ein Kissen, mit dem sie ihn runterschieben. Sonst würde er mit Sicherheit nach ihnen… schnappen. Und da es schon so oft funktioniert hat, macht der Hund mit diesem Verhalten natürlich weiter. Blöd ist er ja nicht, der Herr Pudel.

Jetzt tun wir was

Der Trainer hat genug gehört. „Hat er einen Maulkorb?“, höre ich ihn fragen. Oh je, das böse Wort. Überflüssig zu sagen, dass ich Maulkörbe doof finde und dass ich mir nicht vorstellen kann, wie ich ihm einen solchen umlegen soll. Innerlich stellen sich mir die Nackenhaare auf. Aber stattdessen antworte ich ganz brav, dass ich bei Bahnfahrten immer einen in der Tasche trage, weil das ja eigentlich Vorschrift ist. Noch nie hat allerdings ein Schaffner überhaupt danach gefragt und natürlich hat Lucky noch nie einen getragen.

Wir besprechen das heikle Thema recht lange, all meine Bedenken und Unsicherheiten kann ich klären. Der Maulkorb – so der Trainer – würde uns zunächst mal einen unbefangenen Umgang mit unserem Hund erlauben, da er uns nicht mehr beißen könnte.

Dennoch bin ich froh, dass er nicht von mir verlangt, Lucky sofort und dauerhaft den Maulkorb umzuschnallen. Er rät mir, den jetzt erstmal positiv zu besetzen. Lucky soll in den nächsten Tagen Leckerli, Käse oder kleine Wurststücke aus diesem Maulkorb bekommen.

Meine/seine/unsere Hausaufgaben

  1. Der Hund darf nicht mehr aufs Sofa oder den Sessel
  2. Lucky bekommt nun endlich eine Hausleine.
  3. Wir beginnen das „Maulkorb-Training“.

Der nächste Termin mit dem Hundetrainer wird ein Hausbesuch sein. Ich bin schon mal gespannt, was sich bis dahin getan hat und werde hier natürlich berichten.

 

 

6 Kommentare

  • GABY Lück

    Mag sein, das es nicht so bedrohlich wirkt, aber es muss ja gar nicht so weit kommen. Mein Tierheim hund vor Jahren schnappte richtig zu, da hat der Maulkorb geholfen, die Situation zu entspannen. Und wenn Kinder im Spiel sind, geht Sicherheit auf jeden Fall vor. Und soll natürlich keine Dauerlösung sein. Aber da bist du ja auf dem Wege.

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    • aleschna

      Danke für die Unterstützung!

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    • Christina Freifrau von Mirbach

      Gaby, ich verurteile den Maulkorb auch nicht in Bausch und Bogen als Hilfsmittel. Zumal bei Hunden aus Tierheim/Tierschutz oder Hunden aus zweiter/dritter Hand kennt man nicht exakt ihre Vergangenheit und ihre Verhaltens – Prägung. Hier bin ich von einem normal sozialisierten Hund – mit durchaus vorhandener gesundheitlicher Beeinträchtigung (Bandscheiben) – ausgegangen und davon, dass der Sohn kein Kleinkind mehr ist und der Pudel nicht permanent aggressiv auftritt. Daher mein Statement in diesem Fall zunächst ohne Maulkorb am unerwünschten Verhalten zu arbeiten. Für mich ist aufgrund der Schilderung auch nicht völlig ausgeschlossen, dass Lucky tatsächlich bei manchen Berührungen/Bewegungen Schmerzen empfindet. Spannend wäre auch zu erfahren, wie er sich n a c h der Schnapperei verhält. Signalisiert er eher, dass ihm der „Ausrutscher“ total leid tut (unterwürfiges Verhalten, Händelecken, verlegenes Schwanzwedeln) oder signalisiert er, dass er „als Sieger“ vom Platz geht (davon stolzieren, erhobene Rute, Ignorieren der Chefin)? All das kann man logisch aus der Ferne nicht beurteilen. Der Hundetrainer kommt daher richtiger Weise ins Haus. Allerdings: Dem würde ich sehr selbstbewusst sagen, dass ich auch unsere 10 – jährigen Söhne nicht einfach gegen ihren Willen angefasst habe…

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  • Christina Freifrau von Mirbach

    Spannend! Für mich deutet vieles auf ein Problem mit der nötigen Individualdistanz hin, gepaart mit Eifersucht/Beschützerinstinkt zu Deinen Gunsten. Grundsätzlich akzeptiere ich die Individualdistanz, die meine Hunde – in unterschiedlicher Ausprägung benötigen. Unser Kleinpudel z.B. verzieht sich zunächst, wenn Fremde ins Haus kommen. Mitunter knurrt er dann auch vor sich hin. Wenn aber diese Fremden sich nicht einfach auf ihn stürzen zum Streicheln (weil er ja so süß ist), kommt er nach kurzer Zeit von selber an und will gekrault werden. Gebissen hat er noch nie, auch nicht ansatzweise geschnappt. Aber er signalisiert deutlich, wieviel Distanz oder Nähe er wünscht. Ein normal sozialisierter Hund – nicht Tierschutzhunde o.ä. – sendet in aller Regel Signale im Vorfeld der ultima ratio „Schnappen/Beißen“. Das können ganz feine Signale sein (z.B. mit der Zunge über die Schnauze lecken, Blick abwenden). Lebt Dein Sohn noch zuhause oder kommt er nur gelegentlich zu Besuch? Das macht einen Unterschied.
    Ganz gewiss darf ein Hund nicht die Regierung übernehmen. Die Chefrolle muss klar definiert sein. Das gibt dem Hund auch die nötige Sicherheit. Aber ich bin ein Fan davon, sich auf die hündische Kommunikation einzulassen. Man muss dann seinerseits sehr deutliche, klare Botschaften senden. Von sich aus z.B. festlegen, ob und wie lange der Hund auf das Sofa darf. Ihn bewusst auch mal wegschicken und selbstbewusst signalisieren, dass Du gerade keinen Bock auf ihn hast. Das machen Hunde untereinander auch so. Und die Jungen buhlen geradezu um einen Platz in der Nähe des Chefs.
    Die Körperpflege würde ich von Null langsam wieder aufbauen. Jeden Tag konsequent kurze Zeit bürsten, immer an demselben Platz. Ritualisiert. Danach etwas schönes unternehmen (Spielen, Spazieren gehen, füttern,…)
    Hier mal ein Buch, von dem ich sehr viel halte: Calming Signals. Findet man leicht im Internet.

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    • Christina Freifrau von Mirbach

      PS: Von einem Maulkorb halte ich in diesem Zusammenhang erst einmal nichts. Er schränkt den Hund in der Kommunikation deutlich ein. Die Situation liest sich für mich nicht so bedrohlich, dass Du das nicht über deutliche Kommunikation in den Griff bekämst.

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      • aleschna

        Mit dem Maulkorb hab ich mich auch noch nicht angefreundet. Schadet ja nichts, den positiv zu besetzen, aber vorstellbar ist es mir irgendwie nicht. Hast Recht. Bedrohlich wirkt das auf mich auch nicht.

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