Rollen, Regeln, Rangordnung
Hundetraining, Stunde 5Ich kann es echt nicht fassen… Scheinbar reicht es nicht, dass Frauchen sich nun zu Spaziergängen mit einem sogenannten „Hundetrainer“ trifft. Nein, jetzt lädt sie ihn auch noch zu sich nach Hause ein und lässt ihn sogar aufs Sofa. Kein Wunder, dass er sich aufführt, als hätte er hier das Sagen.
Meine liebsten Blicke lässt Frauchen einfach an sich abprallen und hört stattdessen nur auf diesen Mann. Was soll ich machen? Helft mir, Leute! Sonst machen die noch einen ganz gehorsamen Pudel aus mir…
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Hausbesuch beim Rudel mit Pudel
Montag, kurz 17:00 Uhr. Lucky wird unruhig und knurrt ein bisschen. Er hat – im Gegensatz zu uns – natürlich längst wahrgenommen, dass ein Fremder über unser Grundstück läuft und sich der Haustür nähert. Kaum klingelt es, geht sein lautestes Gebell los. Selbst fünf Häuser weiter dürfte die geneigte Nachbarschaft nun wissen, dass bei Familie Ruland ein Mensch um Einlass bittet.
Ja! Heute ist es soweit: Der erste Hausbesuch des Hundetrainers steht an.
Da ich weiß, wer draußen steht und einen einigermaßen guten Eindruck machen will, schicke ich Lucky ins Wohnzimmer (klappt sogar!) und öffne die Tür. Meine Jungs sind auch schon auf dem Weg nach unten, schließlich geht diese „Sitzung“ ja die ganze Familie was an.
Der Trainer freut sich, uns zu dritt im Flur zu sehen. „Wo ist denn der Pudel?“, fragt er erstaunt. Klar, bei Luckys Gekläff hat er sicher damit gerechnet, vom Hund angefallen zu werden.
Als ich erkläre, dass dieser im Wohnzimmer sei, klingt das „Sehr schön“ des Trainers doch etwas verhalten und erstaunt. „Wir bleiben jetzt einfach mal ein bisschen hier stehen“, spricht er weiter. Offensichtlich will er testen, ob der Hund nicht doch gleich um die Ecke geprescht kommt. Aber Lucky tut seinem Frauchen den Gefallen und bleibt im Wohnzimmer.
Mein Besuch ist mein Besuch
Nach einer Weile bewegen wir uns in den hinteren Teil des Flurs, von wo aus wir auch ins Wohnzimmer schauen können. Erster Blickkontakt mit dem Hund. „Schön, dass er eine Leine trägt. Hat also geklappt mit der Hausleine“, kommentiert der Trainer. Ich nicke stumm und verschweige, dass Lucky sie erst seit gestern trägt.
Lucky sitzt auf seinem Lieblingsplatz. Seinem „Thron“, wie wir ihn immer nennen.
„Sehen Sie, wie angespannt der Hund da auf seinem Posten sitzt? Er wartet, dass es endlich losgeht und er mich begrüßen kann.“ Stimmt. Das erkenne sogar ich. Der Herr Pudel ist sogar s e h r aufgeregt. Er zittert, niest gelegentlich, manchmal gibt er einen komischen Laut von sich.
Die Irritation ist ja auch verständlich. Bei jedem „normalen“ Besuch hätte ich ihn ja längst laufen lassen. Dann wäre der Besuch ausgiebig angesprungen, beschnüffelt und begrüßt worden.
Das ahnt auch der Hundetrainer. Als ich frage, wann wir denn Lucky erlösen wollen und er auch mal Guten Tag sagen darf, bekomme ich eine fürs erste befremdliche Antwort: „Der muss mich gar nicht begrüßen. Ich bin doch nicht sein Besuch.“
Ach so. Stimmt. Nicht sein Besuch. „Wir ignorieren den jetzt einfach mal und unterhalten uns ein bisschen“, höre ich. Okay. Das versuchen wir jetzt einfach mal.
Den Überblick behalten
„Könnte der eigentlich auch auf einer normalen Decke liegen?“, geht es weiter, während der Hund sich erstaunlicherweise langsam beruhigt und sich auf seinem Thron zusammenrollt.
Klar. Könnte er. Denke ich. „Früher,“, so höre ich mich selbst antworten, „lag der Hund auf einer normalen Decke. Aber dann hat ihm irgendwann dieser Platz so gut gefallen“.
„Exponierte Lage,“ spricht der Meister, „Wem würde das nicht gefallen?“.
Ich höre, warum dieser Platz für den Hund optimal, gleichzeitig aber auch wieder ganz schlecht ist: Lucky hat von dort den Überblick über nahezu das gesamte Erdgeschoss. Er kann mit Blicken bis ins Esszimmer hinein „überwachen“, gleichzeitig ist es ihm möglich, den Vorgarten, die Einfahrt und einen Teil der Straße zu überblicken.
„Es tut dem Hund aber gar nicht gut, wenn er die Rolle des Aufpassers übernehmen muss. Räumen Sie ihm diesen Platz weg. Damit er in Zukunft nicht mehr alles überwachen muss.“
Sehr viel besser sei es, wenn der Hund wisse, dass er eben nicht ständig kontrollieren und überwachen müsse. Dies sei Aufgabe seiner Menschen. Der Hund müsse sich gut behütet fühlen. Dann gehe es ihm auch besser. Auch, weil er weniger Stress habe. Damit hat er mich natürlich: Denn dass mein Hund Stress hat, das will ich auf keinen Fall!!!
Was geht ab?
Wir plaudern im Wohnzimmer, während der Hund immer noch auf seinem Thron liegt. Gut, manchmal setzt er sich auch, aber letztendlich legt er sich immer wieder hin. Ohne viel Zutun bleibt er, wo er ist. Find‘ ich gut.
Bis mich der Hundetrainer auf den Boden der Tatsachen zurück holt. „Merken Sie eigentlich, dass Sie sehr viel mehr Blickkontakt mit Ihrem Hund haben, als mit Ihrem Besuch?“
Mist. Warum komme ich mir nur ständig ertappt vor, von diesem Menschen?
Als ich versuche, mich mehr auf meinen Besucher zu konzentrieren, merke ich es selbst: Es geht kaum. Meine Blicke wollen immer wieder zu Lucky wandern. Ich fühle mich schlecht, weil ich nun nicht mehr auf den haarigen Hund, sondern zu dem bärtigen Mann blicken soll. So weit ist es also schon mit mir gekommen. Irgendwie verrückt, diese BesitzerInnen von Pudeln 🙂
Deshalb hier die Warnung: Pudel-Mania ist ansteckend!!!
So gut es geht, versuche ich, die Unterhaltung weiter zu führen.
Auch die Jungs bringen sich ein ins Gespräch. Und da höre ich plötzlich, dass ich dem Hund gegenüber sehr viel nachsichtiger sei, als ihnen gegenüber. „Uns hat sie gut erzogen, aber bei Lucky ist sie irgendwie anders. Dem lässt sie viel zu viel durchgehen und ständig hat sie Angst, der könnte traurig sein, nur weil sie mal nein sagt“.
Wie war das mit dem Kindermund? Und gilt das auch für Teenager?
Aber wo wir gerade schon dabei sind (zu verlieren habe ich ja eh nichts mehr), schildere ich aus dem Stand ein weiteres Problem mit meinem Lieblingshund: Was mich nämlich wirklich stört, ist das Begrüßungsritual, das Lucky an den Tag legt, wenn ich nach Hause komme. Er springt mich an, freut sich wie verrückt und ich kann weder Mantel ablegen, noch Schuhe ausziehen, geschweige denn meine Tasche wegräumen oder mir die Hände waschen (von einem evtl. notwendigen Gang zur Toilette mal ganz abgesehen), bevor ich mich nicht ausgiebig mit dem Hund beschäftigt habe.
Der Hunde- (oder sollte ich besser sagen Menschentrainer) hakt natürlich gleich nach.
„Dürften Ihre Jungs Sie so begrüßen?“
Betretenes Schweigen. 🙁
„Der Lucky freut sich bestimmt, wenn Sie kommen. Aber das, was Sie als Freude interpretieren, ist alles, nur das nicht“, fährt er fort. Und dann komme ich mir vor, als sei ich plötzlich mitten in eine Folge „Hundeprofi“ mit Martin Rütter geraten. Ich höre, dass der Hund mich eigentlich reglementiert. Er motzt, will wissen, warum ich so lange weg war. Wie ich es habe wagen können, ihn allein zu lassen. Durch Schnüffeln kontrolliert er, wo ich war, mit wem ich mich getroffen habe, was ich gegessen und vielleicht sogar getrunken habe, und, und, und…
Die Illusionen nach meinem Testergebnis in der „Partner Hund“ (nachzulesen unter Lass es Liebe sein) zerplatzen wie Seifenblasen auf einem Kaktus.
Ich höre, dass es meine Aufgabe sei, Regeln für unsere Begrüßung aufzustellen und durchzusetzen. Auch an dieser Stelle habe ich dem Hundes die Rolle als „Kontrolleur“ überlassen. Dies mache es Lucky natürlich schwierig, zu akzeptieren, dass er in der Rangordnung hinter uns Menschen steht.
Okay. Ich habe verstanden. Da kommt Arbeit auf mich zu…
Lucky Lecter
Jetzt, wo der Trainer schon mal da ist, wollen wir auch mal versuchen, Lucky den Maulkorb aufzusetzen. Wider Erwarten geht das ganz einfach. Als wir feststellen, dass er noch zu weit ist, können wir den Korb mehrfach abnehmen und neu aufsetzen.
Alle ohne jegliche Gegenwehr.
Trotzdem zerfließe ich schon fast vor Mitleid. Mein armer Hund. Ist das wirklich nötig? Er macht doch gar nichts… Andrerseits: Wenn es ihn ganz offensichtlich völlig kalt lässt, warum ist es dann so schlimm für mich?
Und fast kann ich auch schon ein bisschen lachen, denn Lucky sieht wirklich fast so aus, wie Hannibal Lecter aus „Das Schweigen der Lämmer“.
Er bekommt Leckerchen durch den Maulkorb hindurch, alles gut.
Doch als ich versuche, ganz vorsichtig mit der Bürste über sein Fell zu gehen, findet Lucky das gar nicht mehr lustig. DAS NICHT!!! Er flippt aus, dreht sich rum und versucht, in die Bürste zu beißen. Geht nicht. Maulkorb sei Dank.
Durch seine ungestümen Bewegungen fliegt mir die Bürste aus der Hand und im hohen Bogen durchs Wohnzimmer. Die Jungs grölen und schlage sich auf die Schenkel vor Lachen. „So ein Publikum ist nichts für den Hund“, werden sie vom Trainer zurecht gewiesen und reißen sich pflichtschuldig beim weiteren Vorgehen zusammen.
Ein weiterer ganz zarter Bürstenstrich gelingt ohne große Abwehr. Schnell ein Leckerchen.
Ging doch eigentlich viel besser, als gedacht. „Und jetzt gleich den Maulkorb wieder abnehmen. Das reicht!“, so die Anweisung des Trainers. „Jetzt aber kein Leckerli mehr, dass der Maulkorb weg ist, ist schon Belohnung genug.“
Lucky schüttelt sich kurz, guckt mich noch kürzer an, dreht sich um und geht in seinen Korb, um sofort einzuschlafen. Er hat eindeutig fertig!
Hausaufgaben
Und natürlich bekommen wir auch diesmal was zu tun bis zum nächsten Termin in zwei Wochen:
- Der Hund trägt weiterhin die Hausleine
- Sein „Thron“ wird entfernt, der Korb kommt in eine andere Ecke
- Besuch wird von Lucky weder begrüßt, noch verabschiedet
- Weiterhin darf Pudelchen nicht auf Sofa oder Sessel
- Der Hund darf uns beim Essen nicht mehr beobachten
- Das Begrüßungsritual wird von mir gestaltet, nicht von Lucky
- Mini-Maulkorb-Training (wenn wir können)
Fazit:
Ich bin froh, dass sich das Thema „Maulkorb“ nicht sooo dramatisch dargestellt hat, wie ich vorher vermutete. Trotzdem bin ich noch unsicher, ob wir das schaffen.
Und auf jeden Fall werde ich mich bemühen, die anderen Punkte umzusetzen.
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